Endlich hat das Warten ein Ende: heute Abend startete die Mutter aller Derbies in seine 137. Auflage. Und die Vorzeichen konnten unterschiedlicher nicht sein.
50 Punkte für Borussia Dortmund – nur die Hälfte an Zählern für Herne-West. Selten war die Dortmunder Dominanz deutlicher vor einem Revierderby. Doch um 20:30 Uhr am Freitag Abend war alles Vorgeplänkel vom Tisch, da zählte nur noch “auf´m Platz”.
Eine Stunde vor dem Spiel ging es aber erst an die Tipps: mein Bruder setzte auf einen 4:1-Sieg der Borussia, Liam rechnete mit einem 3:0 für den BVB und ich war mit einem 2:1 für Dortmund eher vorsichtig optimistisch. Schon bei den Vorberichten wollte meine Gänsehaut gar nicht stoppen – so intensiv und kribbelig habe ich selten ein Spiel erlebt.
Felipe Santana kam für den gesperrten Neven Subotic in die erste Elf und Mario Götze spielt erneut auf der vakanten Kagawa-Position. Das prallgefüllte Westfalenstadion kochte und brodelte, als endlich der Anpfiff zum 137. Revierderby erfolgt ist. Grau war nun alle Theorie, jetzt zählte nur noch das Spiel auf dem rechteckigen Spielfeld, das von Michael Weiner geleitet wurde.
Die Partie begann wie erhofft. Die erste große Chance für den BVB wurde schon in der dritten Minute verzeichnet, doch ein glänzend freigespielter Mario Götze vergab freistehend vor Manuel Neuer. Die nächste Großchance nur 120 Sekunden später: Lucas Barrios legte auf Kuba ab, doch erneut parierte Neuer glänzend. Wieder zwei Minuten später scheiterte Mats Hummels mit einem sehenswerten Rückfallzieher im Schalker Strafraum.
Ich war nach einer Viertelstunde positiv fassungslos ob der Dortmunder Dominanz, der das GEsindel bislang nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hatte. Es war erschreckend, wie viele Freiräume der BVB gegen Gäste aus Herne-West hatten, die sich bei Torhüter Neuer bedanken konnten, dass es nicht schon längst im Kasten geklingelt hatte. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen, dass der Tabellenerste mit dem Tabellenelfte heute Abend Probleme bekommen sollte.
Manuel Neuer stand in der 21. Minute erneut im Blickpunkt, als er bravourös gegen Kuba rettete – die vierte Großchance der Schwarz-Gelben, die nicht von Erfolg gekrönt war. Nach 25 Minuten standen schon sechs Torgelegenheiten auf dem Konto des Klassenprimus – aber null Treffer. Sollte sich das am Ende rächen?
In der 35. Minute wurde Lucas Barrios perfekt von Mario Götze vor dem Strafraum der Blauen angespielt, doch zum wiederholten Male sollte der Führungstreffer nicht fallen. Es war zum Verzweifeln! Die Schalker zeigten immer mehr Nerven und fielen negativ durch ihre härtere Gangart auf, die prompt mit den ersten beiden Verwarnungen bestraft worden ist.
Das einzig Negative zum Pausenpfiff war das torlose Unentschieden. Wie aber in den vergangenen Begegnungen zuvor habe ich die letzte Konsequenz vor dem Tor beim BVB vermisst. Traurig, beinahe tragisch die Harmlosigkeit des Vizemeisters der Saison 2009/2010, der so gut wie nichts zustande brachte. Alle Hoffnungen setzte ich daher in die Kabinenansprache von Jürgen Klopp in der Pause des Derbies.
Die zweite Halbzeit begann für Borussia Dortmund ohne personelle Veränderungen. Und der Frust vor dem GEsocks-Gehäuse setzte sich fort, als Barrios in der 51. Minute wiederum erfolglos geblieben ist. Vier Minuten später erneut Barrios, doch der linke Pfosten rettete für den geschlagenen Neuer. Im Gegenzug kam Herne-West gleich zweimal gefährlich vor das Tor von Roman Weidenfeller und hätte den Spielverlauf auf den Kopf stellen können.
Die Partie verflachte in den ersten fünfzehn Minuten nach der Pause zusehends und Dortmund hatte das Anfangstempo zu Beginn der Partie ebenfalls vermissen lassen. Auch Sven Bender scheiterte, die Lederkugel ins Tor zu bugsieren (65.). So furios die erste Halbzeit war, so sehr plätscherte die Partie in den zweiten 45 Minuten dahin.
Der erste Borussen-Wechsel fand in der 73. Minute statt. Der wenig überzeugende Kevin Großkreutz machte Platz für Joker Robert Lewandowski. Lukas Pisczek sorgte mit seinem Einsatz in letzter Sekunde dafür, dass der Spielverlauf nicht auf den Kopf gestellt worden ist, als er das Leder von der Linie kratzen konnte. Direkt im Gegenzug scheiterte Lewandkowski an Neuer (78.). Inzwischen war das Spiel mehr Derby als je zuvor.
Spielerisch überlegen, technisch besser, Chancen ohne Ende – all das traf auf Borussia Dortmund zu. Mit einem kleinen, aber wichtigen Schönheitsfehler: das wichtige Tor fehlte und wollte einfach nicht gelingen. Zu kompliziert im Abschluss, zu oft an Manuel Neuer im GEsindel-Tor gescheitert – so wurde es nichts mit einem Erfolg.
Es war zum Haareraufen: Mario Götze hätte in der 85. Minute der Held des Spiels werden können, doch auch er traf nur das Aluminium. Danach setzte ein Powerplay der Hausherren ein und mich hielt es nicht mehr auf dem Sitzplatz. Doch es war unglaublich, wie harmlos sich der BVB präsentierte. Mo Zidan durfte für zwei Minuten auf das Feld, als er für Kuba ins Spiel kam. Doch auch er konnte nichts mehr bewirken.
Es war ein kurioses Spiel: ein bärenstarker BVB blieb ohne Torerfolg gegen harmlose Herne-Westler, die mit etwas Glück den Spielverlauf komplett auf den Kopf hätten stellen können. Mich erschreckt allerdings, dass nach dem 1:1 gegen Stuttgart heute erneut zwei Punkte liegen gelassen worden sind. Das war heute eindeutig zu wenig. Schön spielen allein reicht nicht aus.
Pingback: Major Klopp und Borussia Dortmund: völlig losgelöst von der Liga | Ein Ostwestfale im Rheinland
Pingback: Sonne aus´m Arsch