Der vierte Spieltag in der Champions League führte Borussia Dortmund als Tabellenführer der Todesgruppe zu Real Madrid.
Die “Königlichen” wollten sich im eigenen Stadion für das spektakuläre 1:2 im Westfalenstadion vor zwei Wochen revanchieren, während der BVB mit einem Sieg den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale perfekt machen könnte.
Trainer Jürgen Klopp konnte in Spanien auf Sebastian Kehl zurückgreifen, der sich gegen Stuttgart einen Nasenbeinbruch zugezogen hatte und mit Gesichtsmaske spielen musste, so dass mit Ilkay Gündogan und Kehl für eine stabile Defensive im Mittelfeld gesorgt war. In der Offensive wirbelten Mario Götze, Marco Reus, Kevin Großkreutz und Robert Lewandowski. Mit Ausnahme von Sven Bender (für ihn spielt Gündogan) war die Mannschaft damit identisch mit der Sieger-Mannschaft von vor zwei Wochen.
Begleitet von der sagenhaften Anzahl von sieben- bis achttausend schwarz-gelben Schlachtenbummler begann die Mission Madrid. Nach achtzig Sekunden musste Roman Weidenfeller bereits die erste brenzlige Situation bestehen und konnte seinen Kasten sauber halten.
Die erste Gelegenheit für den BVB hatte Marcel Schmelzer in der neunten Minute, der von Reus gekonnt in Szene gesetzt worden ist, aber Iker Casillas nicht überwinden konnte. Borussia war also alles andere als chancenlos bei der besten Mannschaft der Welt. Im Gegenteil! Vier Minuten später konnte sich Mario Götze genial auf der linken Seite durchsetzen und den Ball zu Kevin Großkreutz spielen, der in Cassilas seinen Meister fand.
Ein wunderbares Tor von Marco Reus brachte nach 28 Minuten die Führung für Borussia Dortmund. Lewandowski hatte perfekt vorbereitet und ließ Schwarz-Gelb in Madrid jubeln. Kuriosum am Rande: vor der Partie habe ich beim “BVB-Volltreffer” auf der Google+-Seite von Borussia Marco Reus als ersten Dortmunder Torschützen getippt. Sachen gibt’s… 🙂
Leider währte die Freude über die Führung – wie im Hinspiel – nur kurz. Sechs Minuten nach der Führung konnten die Madrilenen zum 1:1 ausgleichen – Pepe, von Marcel Reif als “Mourinhos Scharfrichter” tituliert, markierte den Treffer (34.). Für die Gäste galt es jetzt, sich durch den Gegentreffer nicht verunsichern zu lassen und das beeindruckende Spiel der ersten halben Stunde fortzusetzen.
Ein Weltklasse-Tor von Mario Götze bedeutete die erneute Dortmunder Führung. Ein weiter Abschlag von Weidenfeller wurde von Großkreutz ganz, ganz fein auf Götze abgelegt, der mit einem gefühlvollen Weltklasse-Heber Cassilas zum zweiten Mal überlisten konnte – 2:1 für den Deutschen Meister bei den wenig Galaktischen aus Madrid. Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn!
Ohne Wechsel schickte Klopp seine elf Spieler in die zweite Halbzeit, die in den ersten Minuten ganz klar im Zeichen der wütenden Offensivangriffe von Real Madrid gestanden hat. Die Dortmunder Abwehrreihen standen gehörig unter Druck und mussten Schwerstarbeit gegen die spielstarken Spanier leisten. Weidenfeller musste nach einer Stunde alle Kräfte mobilisieren, um den knappen Vorsprung zu halten.
Die erste Viertelstunde in Hälfte zwei ging klar an Real. Dortmund gelang es nicht, sich aus der Umklammerung des Tabellendritten der spanischen Liga zu lösen. 4:0 Chancen innerhalb einer Viertelstunde sprechen eine klare Sprache. Auch mir hat das Spiel nach dem Seitenwechsel einiges abverlangt. Ich hatte schweißnasse Hände und sprang hibbelig durch das Wohnzimmer. Sollte das hauchdünne 2:1 gegen offensiv anrennende Spanier reichen?
Sven Bender wurde in der 74. Minute nach seinem auskurierten Muskelfaserriss für Torschütze Marco Reus eingewechselt. Die Defensive sollte also zusätzlich gestärkt werden, um dem Real-Sturmlauf energisch entgegenzutreten. Eine gute Viertelstunde musste das Abwehrbollwerk der Dortmunder noch halten, um die Sensation perfekt zu machen.
Ilkay Gündogan ging in der 80. Minute vom Platz und wurde von Ivan Perisic ersetzt. Jetzt galt es, die letzten Kräfte zu mobilisieren, denn Real Madrid war weiterhin brandgefährlich am und im Strafraum des Tabellenführers in dieser Champions League-Gruppe. Großkreutz musste in der 86. Minute auf der Linie retten und das 1:2 war in höchster Gefahr. Doch selbst die gefürchteten Freistöße von CR7, von Cristiano Ronaldo, konnten den BVB heute nicht schocken.
Mit Glück und Geschick konnte das hauchdünne 2:1 bis zur 89. Minute verteidigt werden. Doch dann schlug Mesut Özil per Freistoß zu und ließ Weidenfeller in der rechten Ecke keine Chance. Wiederum wurde Dortmund in buchstäblich letzter Minute um den Lohn der guten Arbeit gebracht. Außerdem galt es jetzt, die Ruhe zu bewahren, denn drei Minuten Nachspielzeit mussten überbrückt werden.
Jürgen Klopp wollte noch etwas Zeit gewinnen und wechselte in der 91. Minute das dritte und letzte Mal. Für Mario Götze kam Moritz Leitner auf den Platz und sollte mithelfen, das 2:2 über die Zeit zu bringen. Um 22:35 Uhr war es dann amtlich: der BVB holt ein 2:2 und bleibt in der Todesgruppe ungeschlagener Tabellenführer.
Unabhängig vom späten Gegentor: Zu der Leistung des BVB bei Real Madrid fällt mir nur ein Wort ein: überragend. Roman Weidenfeller war für mich der Spieler des Spiels. Der Schlussmann vereitelte Torchance um Torchance und bot eine Weltklasse-Leistung zwischen den Pfosten. Auch der türkische Schiedsrichter machte einen verdammt guten Job und war alles andere als ein Heimschiedsrichter. Selbst in kniffligen Situationen ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen und entschied richtig, ohne eine der beiden Mannschaften zu bevorteilen.
23 Mal haben sich bislang deutsche Mannschaften am Sieg im Stadion von Madrid versucht. Nur Bayern München gelang bislang zweimal der dreifache Punktgewinn. Beim 24. Gastspiel war Double-Sieger Dortmund verdammt nah dran, den dritten Sieg einzufahren. Doch heute fehlten nur ein paar Minuten, um die Sensation perfekt zu machen.
In mir verfestigt sich immer mehr der Gedanke, dass Jürgen Klopp diese Saison bewusst so geplant hat. Nach zwei deutschen Meisterschaften in Folge war der Nachholbedarf auf europäischer Bühne die wichtigste Aufgabe der jungen Elf. Mit imposanten Auftritten in Manchester (1:1) und gegen Real (2:1 und heute 2:2) haben die Dortmunder gezeugt, dass sie alles andere als europäisches Kanonenfutter sind.
Und sicherlich hat Jose Mourinho in der Pressekonferenz vor dem Gastspiel des BVB den Angereisten bewusst geschmeichelt, als der Portugiese den Doublesieger in den Kreis der Champions League Titelanwärter gehievt hat. Womöglich ist dieser enorme Anspruch an die Westfalen noch nicht erfüllbar. Doch Ausrufezeichen haben die Dortmunder mehrfach in der Königsklasse gesetzt, auf die sie stolz sein können.
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