Kürzlich war ich zu einer Tagung in Düsseldorf – Oberbilk. Der Weg in das NH Hotel Düsseldorf City am Oberbilker Markt war für mich wie eine Reise in die Vergangenheit.
Damals, vor mehr als sechzehn Jahren, hat alles seinen Anfang genommen. Damals wurden die Weichen gestellt, dass es mich als einen Ostwestfalen im Rheinland überhaupt gibt.
Und jetzt stand ich da. Wenige Schritte vom südlichen Ende des Hauptbahnhofes entfernt, über den Bertha-von-Suttner-Platz hinweg, gelangt man zur Eisenstraße. Fünf- und sechsstöckige Häuser säumen die Straßenzüge, in deren Schluchten zahlreiche Platanen wie an einer doppelten Perlenkette aufgereiht stehen.
Die Platanen. Sie sind ein Schattenspender, wenn der Sommer im Juli und August zum Hochsommer mutiert und das Leben in der Großstadt aufgrund der flimmernden Hitze bisweilen unerträglich macht. Es ist unglaublich, wie viel Schatten die großen Riesen mit ihrem Blätterwerk spenden.
Die Platanen. Sie sind Nervfaktor Nummer eins im Herbst, wenn die Blätter an den Bäumen vom Grünen ins Braune wechseln und sich vom Wind abgeschüttelt in Laub verwandeln. Denn dann kommen am frühen Morgen die Laubbläser und wecken die Anwohner mit ihrem lauten Getöse.
Ich schlendere an dem Mietshaus mit der Nummer 96 vorbei. Dem Haus, in dem ich 1998 von Januar bis September gewohnt habe. Dem Haus, von wo aus wir Düsseldorf und das Umland mit der Straßenbahn erkundet und kennengelernt haben.
Als wir die Wohnung bezogen haben, mussten wir die Fenster wieder und wieder putzen. Der Dreck der Großstadt hatte sich gefühlte Jahrzehnte auf dem Fenstersims und den Rahmen niedergelassen und wurde anscheinend nie gereinigt.
Unsere Wohnung lag im vierten Stock, zwei Zimmer, Küche, Diele, Bad. 53 Quadratmeter kosteten damals weniger als 600 Deutsche Mark Kaltmiete. Das Bad war innenliegend und wenn ich auf der Toilette gesessen habe, konnte ich mir gleichzeitig die Zähne über dem Waschbecken putzen und die Haare waschen.
Die Küche mit Blick zum Innenhof führte auf den kleinen Balkon, vom Flur aus ging es als erstes ins Wohnzimmer und von dort aus ins Schlafzimmer. Beide Räume hatten einen Blick zur Straße und in die Platanenallee. In Wohnzimmer und Küche gab es keine Zentralheizung, sondern nur Nachtspeicheröfen. Du musstest morgens schon wissen, ob es abends kalt wird und den Nachtspeicher entsprechend aufheizen.
Genau gegenüber von unserer Wohnung befand sich eine Trinkhalle. “Beim Onkel Karl” hieß das Büdchen. Damals haben wir dort gelegentlich frische Brötchen am Wochenende gekauft. Onkel Karl war ein älterer Herr mit grauen Haaren und einem grauen Schnurrbart. Er lächelte immer milde und stand oft vor der Eingangstür zur Trinkhalle.
Als ich jetzt an der Trinkhalle vorbeigehe, sind die schweren Rollläden heruntergelassen und mit Graffiti verschmiert. Der obere Teil der Rollläden bei der Eingangstür fehlt. Zwar hängt das beleuchtete Schild mit dem Altbier-Schild noch, doch Onkel Karl hat schon lange nicht mehr geöffnet.
Die Wohnung in der Eisenstraße 96 war meine erste eigene Wohnung, nachdem ich aus Ostwestfalen gezogen bin. Und es war eine gute Wohnung. Zu meinem Arbeitsplatz in der WGZ Bank – meinem ersten “echten” Job nach der Ausbildung – hatte ich nur wenige Meter zu laufen und war in wenigen Minuten im Büro und abends zeitig daheim.
Es war eine schöne Wohnung. Ich war damals 23 Jahre alt und habe mich dort wohlgefühlt. In diesem Jahr werde ich vierzig und die Zeit damals in der Eisenstraße kommt mir vor wie eine Ewigkeit.