Es ist schon lange her, dass meine Erwartungshaltung vor einer Begegnung zwischen Buyern München und Borussia Dortmund so gering war wie an diesem Samstag Abend. Und das lag nicht nur an der Riesenlücke, die in der Tabelle zwischen dem Spitzenreiter FCB und dem auf Rang 16 dümpelnden BVB klaffte.
Doch die Aufregung vor der Begegnung ließ sich trotzdem nicht von mir abschütteln und wuchs und wuchs, je weiter der Uhrzeiger Richtung 18:30 Uhr voranschritt. Und dann gab es den Anpfiff. Endlich war diese unsägliche Vorberichterstattung auf Sky vorbei. Eine Berichterstattung, die ich mir mit Ausnahme des Interviews mit Jürgen Klopp und dem Gespräch mit Hans-Joachim Watzke gespart habe.
Meine Twitter-Timeline berichtete von Star Wars-Anleihen und anderen Grausamkeiten, die mir Gott sei Dank erspart habe und die ihren Höhepunkt mit einem Körpersprachen-Analysten aus Österreich gefunden hat. Kerr, kerr, kerr.
Doch Fußball gespielt wurde auch. Und sogar gleich richtig druckvoll von beiden Mannschaften. Nach einer Torchance von Arjen Robben, die Roman Weidenfeller parieren konnte, hatte Henrikh Mkhitaryan auf der anderen Seite die Chance zur Führung. Vorsichtiges Abtasten sieht anders aus.
Weidenfeller stand in der 17. Minute im Mittelpunkt, als er nach einem Abschlag Mkhitaryan mit einem harten Schuss an den Hinterkopf klassisch ausgeknockt hat. Friendly fire beim Fußball. Das Gute: vor drei Wochen hätte sich Weide den Ball noch ins eigene Netz gehauen 🙂
“Hauptsache, keine Klatsche kassieren”, das war mein Wunsch vor dem Spiel. Was ich aber nach der ersten halben Stunde von meinen Schwarz-Gelben gesehen habe, sah verdammt gut aus. Zwar nicht überragend wie in der Champions League, aber durchaus ansprechend und mit ohne Angst vor den “Super-Bayern”.
Reus. Ausgerechnet Marco Reus
Und dann kam die 31. Minute. Pierre-Emerick Aubameyang setzte sich bei einem schnellen Angriff über rechts durch und flankte mustergültig in den Strafraum. Marco Reus, ausgerechnet der potenzielle Lieblings-Transfer der Münchener im kommenden Sommer, netzte mit dem Kopf ein und ließ Manuel Neuer keine Chance.
Keine Chance hatten auch meine Stimmbänder, denn die Anspannung der letzten Stunden, Tage, Wochen mussten einfach aus mir heraus und entluden sich in einem langgezogenen Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
Auch wenn es das einzige Tor der Dortmunder an diesem Abend bleiben sollte – allein für diesen einen bezaubernden Moment hat es sich schon gelohnt, dabei gewesen zu sein. Egal wo: ob im Stadion, vor dem Fernseher daheim oder in der Kneipe.
Übrigens: Statistiker notierten den ersten Gegentreffer für Bayern nach elf Stunden, genauer gesagt nach 688 Minuten. Und außerdem den ersten Rückstand überhaupt in dieser Saison in der Liga. Doch Statistik ist für die Tonne, wenn das Ergebnis am Ende nicht stimmt. Deshalb war diese Information nur eine Randnotiz in einem echten Spitzenspiel, bei dem zu keiner Zeit der Gedanke aufkam, dass der Erste gegen einen tabellarischen Abstiegskandidaten spielt.
Neben Torschütze Marco Reus war Roman Weidenfeller bei Borussia Dortmund der Mann der ersten Halbzeit. Der Schlussmann entschärfte etliche Torgelegenheiten der Roten in Weltklasse-Manier und trieb Robben, Müller und Co. zur Verzweiflung. Überhaupt waren die Schwarz-Gelben in der Defensive bis dahin verdammt stark und konzentriert und hatten sich das 1:0 zur Pause redlich verdient.
Mats Hummels´ Verletzung ist die Wende
Leider musste der bärenstarke Mats Hummels verletzungsbedingt in der Kabine bleiben und wurde von Neven Subotic ersetzt. Ansonsten setzte sich die starke Leistung von Weidenfeller gegen die Münchener Offensive fort.
Die Münchener müssen sich gefühlt haben wie der BVB in der Mehrzahl der bisherigen Bundesliga-Partien: Überlegenheit im Ballbesitz, Überlegenheit in den Torchancen und trotzdem steht es nach einer Stunde 1:0 für den Gegner. Das ist ein Ergebnis, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt sehr, sehr gut leben konnte.
Die spannende Frage war: wie lange kann das Borussen-Bollwerk halten? Wann münzen die Bayern ihre Dominanz in ein Tor um? Denn die Dortmunder beschränkten sich aufs Kontern, doch die Abgeklärtheit fehlte vor dem Tor.
Die Antwort: bis zur 72. Minute. Kurz nach der Auswechslung von Shinji Kagawa gegen Kevin Großkreutz gelang Robert Lewandowski der Ausgleich gegen seinen alten Verein. Ausgerechnet Lewa? Ja, ausgerechnet Lewa! Unverdient? Nein, keineswegs, denn die Überlegenheit der Gastgeber war zu deutlich.
München gab sich aber mit dem Remis nicht zufrieden und wollte die zuvor drohende Blamage gegen den Konkurrenten in einen sieg ummünzen. Mit Hilfe von Schiedsrichter Gräfe gelang das auch. Nach (k)einem Foul von Subotic an Ribery gab es Elfmeter für Buyern und Arjen Robben traf gegen seinen Lieblingsgegner (86.).
Kein Lohn für die gute Arbeit
Das war’s dann auch. Kein Lohn für die gute Arbeit. Und auch die Quittung, in der zweiten Halbzeit weniger getan zu haben als vor dem Seitenwechsel. Die Überlegenheit des FCB war offensichtlich und das erste Gegentor nur eine Frage der Zeit. Wenn dann auch noch individuelle Fehler (Subotic’ Zweikampf) dazukommen, dann geht so eine Partie verloren.
Trotz der Niederlage gilt: Es schien so, als wenn der BVB gegen die Buyern im Champions League-Modus angetreten ist. Das Team war perfekt eingestellt, Roman Weidenfeller auf Weltklasse-Niveau und bei dem 1:1 genauso machtlos wie gegen Robbens Elfer. Es war von Krise in der Liga bei diesen neunzig Minuten nichts zu spüren. Ich wünsche mir, dass dieser Spirit in die nächsten Bundesligaspiele mitgenommen werden kann.
Denn der Tabellenkeller ist weiterhin die große Bedrohung – und das Brot- und Buttergeschäft, das bei allen Erfolgen in der Königsklasse nicht unterschätzt werden darf.
1. November 2014 um 21:31
Gute Analyse deinerseits. Auf Seiten des BVB war in Halbzeit Eins aber auch Kagawa einer der Schlüsselspieler, für Alonso gab es fast keinen Raum zum Spielen. Ergebnis geht in der Höhe völlig in Ordnung, Dortmund stand in der zweiten Hälfte deutlich zu tief, die Bayern kamen dadurch zu immer mehr Chancen.