Die Idee ist genauso verrückt wie ungewöhnlich: Fußball fasten und damit 31 Tage lang ohne jeglichen Fußball leben. Ben Redelings, Autor zahlreicher unterhaltsamer und bisweilen auch skurriler Fußballbücher, hat sich an dieses Experiment gewagt.
Mit der Enthaltsamkeit vom Fußball ist allerdings nicht nur das aktive Spiel gemeint, sondern der komplette passive Fußballkonsum, also der Verzicht auf jegliche Berichterstattung in Sachen Fußball – unabhängig von dem Medium (Internet, Fernsehen, Zeitungen, Gespräche) und der Liga (Champions League, Bundesliga, zweite Bundesliga).
Erschwerend kommt bei dem Selbstversuch auch noch der Zeitpunkt hinzu. Redelings, eingefleischter Fan des gefühlt ständig abstiegsbedrohten VfL Bochum, hatte sich vorgenommen, der Droge Fußball vom 1. bis zum 31. Mai komplett zu entsagen. Ausgerechnet der Mai!
Bekanntlich ist der Monat Mai der Monat der Entscheidungen. Im Mai finden die Endspiele in den europäischen Pokalwettbewerben statt, im Mai wird die Meisterschale vergeben und der Abstiegskampf entschieden, im Mai gipfelt die Saison in ihr mal mehr und mal weniger furioses Finale. Allein dieser Terminsetzung gebührt Respekt!
Aber Ben Redeling wollte es ja so und lässt uns in Tagebuchform Fußball-Fasten: Das Experiment an seinen Erlebnissen teilhaben. Herausgekommen ist ein kurzweiliger und unterhaltsamer Erfahrungsbericht, bei dessen Lesen die psychischen Qualen des Verzichts auf die schönste Nebensache der Welt nicht nur vereinzelt spürbar sind.
Wie medial präsent ist der Fußball in unserer Gesellschaft?
Das Fußball fasten ist nicht nur ein Versuch, die eigenen Grenzen und die eigene Willensstärke zu testen. Der Autor wollte auch ermitteln, welchen gesellschaftlichen Stellenwert der Fußball in der medialen Berichterstattung inzwischen erreicht hat.
Insbesondere diese Erkenntnisse sind teilweise zwangsläufig, teilweise aber auch erschreckend. Denn der Fußball ist in Deutschland allgegenwärtig. Von Montag bis Sonntag, von morgens bis abends, von den europäischen Top-Ligen bis hinunter in die Amateur-Klassen wird dem Fußball ein Stellenwert eingeräumt, der nicht immer gerechtfertigt ist.
Und alle machen mit. Die Medien im Internet mit ihren Live-Tickern und exklusiven Klick-Strecken vom Training der Mannschaft, der Ankunft am Flughafen nach einem glanzlosen Arbeitssieg im Pokal, das Fernsehen, das aus 0815-Mitteilungen gleich “Breaking News” formt und die Printmedien, die zu allen Events und vielen Vereinen Sonderpublikationen am Start haben.
Du kannst dem Fußball nicht entkommen
Es ist schwierig, dem Fußball nicht zu begegnen und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Diese Sicht ist nicht neu. Das Fußball fasten von Ben Redelings zeigt aber eindrucksvoll, wie schwierig es ist, ihm entgehen zu wollen.
Mit Kritik an den Medien – und seinen Konsumenten – spart Redelings am Ende des Experimentes nicht, als er feststellt: “Wenn wir uns der Medienmacht entzieht, werden wir freier und selbstbestimmter. Wir können also eine Menge eigenverantwortlich steuern.”
Fußball-Fasten: Das Experiment ist ein genauso unterhaltsames wie nachdenklich stimmendes Buch, das mich an mehreren Stellen zum Reflektieren meines eigenen Verhaltens animiert hat. Insbesondere die emotionale Bindung an den Verein (Siege machen mich fröhlich, Niederlagen stimmen mich depressiv) ist ein Thema, das mir nachhaltig vor Augen geführt wurde.
Eins hat mir Redelings aber auch bewiesen: ein Leben ohne Fußball ist möglich. Es macht aber deutlich weniger Spaß als ein Leben mit Fußball :-)