340 Kilo. Das sind 1.360 Stück Butter. Oder 340 Six Packs mit Äpfeln. Oder das Gewicht einer durchschnittlich großen Kindergartengruppe (ohne Erzieherin, versteht sich). Auf jeden Fall ist es verdammt viel.
Nicole Jäger hat vor einigen Jahren diese für viele Menschen unglaubliche Zahl an Kilogramm auf die Waage gebracht – und benötigte damals zwei Waagen für Kraftsportler, um ihr Gewicht zu ermitteln. Inzwischen konnte sie eine der Gewichtsmesser aussortieren, denn aktuell bringt die blonde Hamburgerin nur noch die Hälfte ihres bisherigen Höchstwertes auf die Waage.
Unglaubliche 170 Kilo hat Die Fettlöserin abgenommen und erzählt in dem gleichnamigen Buch ihre Geschichte, genauer gesagt eine Anatomie des Abnehmens. Und nicht nur das. Das Buch ist nicht nur Biografie, sondern auch Ernährungs-Ratgeber. Wer jetzt aber Hoffnung auf Geheimrezepte, Blitz-Diäten und andere Abnehm-Scharlatanerie hegt, ist bei der 33-jährigen definitiv an der falschen Adresse.
Das Nordlicht kennt einen besseren, einen erfolgversprechenderen Weg, den sie gern mit ihren Leserinnen und Lesern teilt. Bevor es jedoch so weit ist, gibt es viel zu lernen über Abnehmen, Zunehmen, Essens-Frust, Essens-Lust sowie Tränen, Selbstzweifel und Durchhaltevermögen.
Schonungslose Abrechnung
Nicole Jäger rechnet schonungslos mit sich ab. Nicht ihre Kindheit, nicht ihre Eltern, nicht ihre Krankheiten sind verantwortlich für ihr Frust-Fressen gewesen. Nur sie selbst trägt die Verantwortung für die 340 Kilo auf der Waage. Und nur sie kann diese Situation lösen und zum Besseren wenden.
Bis es soweit gekommen ist und die Selbsterkenntnis eingesetzt hat, war es allerdings ein langer, weiter Weg. Adipositas per magna, auch als Adipositas III. Grades bekannt, ist quasi die Königsdisziplin der Fettsucht. Nur Menschen mit einem BMI jenseits der 40 erhalten diese Diagnose. Und Jäger hat diese Diagnose erhalten.
Es musste erst ein lebensbedrohliches Ereignis herhalten, bis der jungen Frau die Augen geöffnet worden sind. Und das war die Initialzündung zu einem langen, beschwerlichen und am Ende erfolgreichen Weg, der niemals zu Ende sein wird.
Wie funktioniert eigentlich Abnehmen?
Während die Kilos nach und nach gepurzelt sind, hat die Fettlöserin alle Arten von Diäten ausprobiert und kann deshalb jeden Mythos, der dieses Thema umrankt, in seine Einzelteile zerschmettern.
Denn Abnehmen ist eigentlich ganz einfach. Es reicht aus, mehr Kalorien zu verbrennen als dem Körper zugeführt werden. Oder anders gesagt: Abnehmen ist Physik und Biologie und keine Zauberei. Eine negative Energiebilanz und Bewegung sind die beste Formel, um abzunehmen und das Gewicht mit guten Chancen über einen längeren Zeitraum zu halten.
Wer abnehmen will, muss essen
Wer abnehmen will, muss essen? Dieses Paradoxon löst sich schnell auf. Vor dem Abnehmen steht die Bestandsaufnahme. Was esse ich und wie viel esse ich davon? Und dann heißt es Schritt für Schritt und nichts überstürzen. Erst ein schlechtes Produkt gegen ein gesundes tauschen und dann weiter.
Auch wenn mir in der Schule die Naturwissenschaften ein Graus gewesen sind: Nicole Jäger erklärt biologische und chemische Prozesse anschaulich und leicht verständlich und zeigt nachvollziehbar auf, wieso Diäten ernährungsphysiologisch Quatsch sind.
Abnehmen ist ein Arschloch
Nicole Jäger verspricht der Leserin und dem Leser keine Wunder und merkt gleich zu Beginn an, dass Abnehmen ein Arschloch sei. Und schiebt gleich hinterher, dass der Weg zur Gewichtsreduktion alles andere als ein großer Spaß, sondern ein verdammt harter Weg ist.
Mit einer Biografie, die viele Menschen zum Scheitern gebracht hätte, hat sie sich der Aufgabe gestellt. Denn Nicole Jäger ist anders als viele Menschen, Nicole Jäger ist eine Kämpferin und lässt sich trotz aller Rückschläge nicht unterkriegen. Und das ist auch das, was sie von ihren Klienten in der Ernährungsberatung einfordert: zu kämpfen und sich nicht unterkriegen zu lassen.
Die erste Hälfte des Weges hat sie geschafft – die zweite Hälfte des langen Marsches ist jetzt in Angriff genommen. Ich bin sicher, dass die Autorin auch diese Herausforderung meistern wird. Denn wie heißt ein abgewandeltes Sprichwort: ordentlich leichter werden ist nicht schwer, ordentlich leichter bleiben hingegen sehr.
Ein Buch für alle, denen das eigene Leben am Herzen liegt
Es geht in dem Buch aber nicht nur um Diäten und Abnehmen, es geht auch um die gesamte Klaviatur an Emotionen: Wut, Zuversicht, Scham, Freude, Verletzlichkeit und die Angst, nicht akzeptiert zu werden und ein Sonderling zu sein. Am Ende gilt: funktionierende Diäten sind ein Mythos, meint Jäger und setzt stattdessen auf die Tugenden Ehrlichkeit, Ernährung, Bewegung und Humor.
Wer das Buch bis zu Ende gelesen hat – und davon bin ich überzeugt, dass es viele getan haben -, wird nicht die beste Diät gefunden haben. Denn es gibt sie nicht, die beste Diät. Was es aber gibt, ist eine erstklassige Beratung über Ernährung und Abnehmen, eingebettet in eine gelegentlich tragikomische Lebensgeschichte.
Nicole Jäger beschreibt die Ernährung und ihre Folgen für den Körper kurzweilig und interessant – und ohne dabei trivial zu werden. Ihre Ausführungen kommen sachlich fundiert herüber, ohne dabei ins Fachchinesische oder verkrampft Medizinische abzudriften.
Ihr Schreibstil in Die Fettlöserin: Eine Anatomie des Abnehmens ist wunderbar leicht und beschwingt; mir gefällt die gehörige Portion (Selbst-)Ironie, mir gefallen die nicht selten auftauchenden selbstkritischen Äußerungen, bei denen die Fettlöserin bisweilen hart mit sich ins Gericht geht.
Das Buch ist ein Muss für jeden, der sich für seine Gesundheit und eine gesunde Ernährung interessiert und diese ernst nimmt. Es ist ein Buch für Dicke, für Dünne, für Alte, für Junge, für Amateure, für Profis – für alle, denen ihr eigenes Leben am Herzen liegt.
29. Mai 2017 um 17:23
Tja, in der Tat schönes Buch, auch wirklich cool geschrieben – nur leider erstunken und erlogen.
Wer sich ein wenig Mühe macht und recherchiert, wird da schnell fündig.
Und eine Frau, die nach – angeblich – 170kg Abnahme als Ernährungscoach arbeitet, aber selbst nur zunimmt, dazu muß man eigentlich auch nichts weiter sagen.
Frau Jäger hat zwar viele ihrer Abnehmtagebücher löschen lassen, aber in 3 Foren kann man in diversen Threads ihren Abnehmweg verfolgen – das läßt sich nämlich nicht einfach löschen. Wer sich die Mühe mal macht (es gibt aber dazu auch schon schöne Zusammenfassungen inkl. links) wird feststellen, daß in den letzten Jahren ein konstantes Gewicht von +/- 170kg zu verzeichnen ist. Also nix mit 170kg Abnahme – es sei denn man rechnet die Kilos der vielen Abnahmeversuche zusammen…
Und dafür, daß sie Diäten so verteufelt, war sie mit WW doch recht erfolgreich.
Jetzt könnte man meinen, egal, ist ja trotzdem ein witziges Buch, was auch definitiv stimmt.
Aber es ist eine Verhöhnung aller abnehmwilliger Männer und Frauen, die das Buch in der Hoffnung lesen, es würde helfen, weil „wenn ich faule Sau das geschafft habe, schaffst Du das auch“ – nur daß sie es eben noch nicht einmal annähernd geschafft hat, ganz im Gegenteil…
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