Ich habe einige Tage benötigt, um meinen zweiten Marathon Revue passieren zu lassen und das Geschehen zu verarbeiten. Mit einigen Tagen Abstand ist die Enttäuschung im Ziel dem Stolz über das Erreichte gewichen.
Nüchtern betrachtet war der METRO Marathon eine Niederlage für mich. Ich habe fleißig trainiert, hatte – mit Abstrichen – erfolgreiche Wettkämpfe über zehn Kilometer in Hilden mit knapp 48 Minuten und über die Halbmarathon-Distanz in Duisburg, als ein “Ernährungs-Fail” meinerseits eine bessere Zielzeit verhindert hat, und fühlte mich gut gerüstet.
Das Ziel, eine Sub 4 nach meinem Debüt in Rotterdam vor einem Jahr zu schaffen, war alles andere als abwegig. Doch es ging schief. 4 Stunden, 7 Minuten und 18 Sekunden standen am Sonntag Nachmittag in Düsseldorf am Rheinufer auf der Uhr, als ich die Zielmatten überschritten habe.
Aber der Reihe nach.
Die Tage vor dem großen Lauf
Die Tapering-Phase habe ich gut genutzt und habe dem Lauf entspannt entgegen gefiebert.
Samstag Vormittag bin ich eine kleine Runde im Dauerregen gelaufen, um die Muskeln zu lockern und habe mich nur einmal aufgeregt: als meine Borussia im Heimspiel gegen Schalke das Derby und die Meisterschaft hergeschenkt hat.
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Ich habe anschließend meine Laufklamotten und Utensilien zusammengestellt und hatte dabei Unterstützung von meinen beiden Katzen 🙂 Samstag Abend ging es um halb elf ins Bett und ich freute mich auf den Lauf. Bei der Angstfreude dominierte die Freude. Der METRO Marathon konnte steigen.
Race-Day
Dann war es soweit: Sonntag und es hieß Race-Day!
Um halb sechs bin ich bereits wach gewesen und es gab das obligatorische Frühstück mit Kaffee, Wasser, Toast mit Honig sowie Toast mit Nutella und Banane. Meine Verfassung? Prima. Ich fühle mich fit, die Anspannung ist da, allerdings in einer Form, die mehr motiviert als lähmt. Ich habe einfach Bock auf die Strecke, die ich gemeinsam mit Helmut Bezani von Lauffieber Dortmund absolvieren werde.
Ganz entspannt und ohne Stress bin ich mit der Bahn von Kleinenbroich nach Düsseldorf gefahren. Überhaupt war ich erstaunt, dass ich die vergangenen Tage so entspannt und innerlich ruhig mit dem Marathon war. Vermutlich ist das die Erfahrung.
Und natürlich die Tatsache, dass ich einen Lokaltermin hatte, die Strecke kenne und daheim schlafen konnte – in Hamburg oder Berlin im Hotel wäre die Anspannung sicherlich größer.
Auf dem Weg zum Burgplatz habe ich Lutz B. getroffen, mit dem ich mir plaudernd die Wartezeit auf die U-Bahn vertrieben habe. Apropos Plaudern: ich habe vor, während und nach dem Lauf zahlreiche Menschen getroffen, die ich teilweise nicht oder viel zu spät erkannt habe (außer dich, Annette F. 🙂 ).
Falls ihr das jetzt lest: entschuldigt, aber ich habe ein total schlechtes Namens-Gedächtnis und das ist der Grund, wieso ich so schlecht oder gar nicht auf euch reagiert habe 🙁 Ich gelobe Besserung für die Zukunft!
Um viertel nach acht habe ich mich mit meinem Trainer Helmut getroffen und wir hatten Gelegenheit, die Wartezeit bis zum Start für die Taktik und das Drumherum zu besprechen. Nachdem wir das Chaos bei der Kleiderbeutel-Abgabe überstanden hatten (zu wenig Personal für zu viele Beutel), ging es eine Stunde später Richtung Startbereich.
Das Wetter zeigte sich immer mehr von seiner guten Seite. Anstelle Regen kam sogar bei der Startaufstellung die Sonne raus. Besser geht´s nicht – und ich lag mit meiner Klamottenwahl – kurze Hose und kurzes Shirt – genau richtig.
Die Renn-Taktik
Für die Zielzeit unter vier Stunden hatten wir uns eine Pace von 5:36 Minuten vorgenommen. Helmut schärfte mir ein, anfangs nicht zu schnell zu starten, sondern konsequent das Tempo zu halten. Passend dazu hatte der Trainer ein Paceband (auch bekannt als Zeitenband) dabei, das sich als sehr hilfreich herausstellen sollte.
Ich hatte mir vorgenommen, ab Kilometer 10 den ersten Verpflegungspunkt mit Wasser anzusteuern, um rechtzeitig Flüssigkeit zu mir zu nehmen. Ab Kilometer 15 und dann alle fünf Kilometer wollte ich mit dem ersten Gel starten. Außerdem hatte ich für den Notfall zwei Gel-Chips und Traubenzucker dabei.
Ein Lauf mit Höhen und Tiefen
Wo fange ich an? Wo höre ich auf? Vielleicht mit den Fakten: Ich habe meinen zweiten Marathon erfolgreich beendet. Ich habe eine neue persönliche Bestzeit erzielt. Es war ein prima Lauf, der bis Kilometer 25 perfekt nach Plan gelaufen ist. Helmut und ich liefen gemeinsam wie ein Uhrwerk und waren weder zu schnell noch zu langsam unterwegs.
Dann kam Kilometer 25 und ich bin körperlich eingebrochen. Es fühlte sich an, als habe mir jemand den Stecker gezogen und damit alle Kraft aus mir gesaugt. Es waren nicht die Beine und die Muskeln, die fühlten sich frisch an. Stattdessen fehlte einfach die Puste. Die Pace schnellte nach oben und pendelte sich bei 5:50/6 Minuten ein.
Danke, Helmut!
Ich konnte einfach nicht schneller laufen. Ich schleppte mich von Verpflegungsstand zu Verpflegungsstand. Und war froh, dass ich Helmut von Lauffieber Dortmund als Pacemaker dabei hatte. Er hatte während des Laufes die Zeit im Blick und passte das Tempo an.
https://www.relive.cc/view/g33676163231
Er motivierte mich und appellierte an meine Läufer-Ehre, als ich nur noch auf der Felge lief. Ohne Scheiß: ohne ihn hätte ich vielleicht einen DNF abgeliefert.
Einfach ankommen
Nach 35 Kilometer lief der 4 Stunden-Pacer an uns vorbei und es war klar, dass mein ursprüngliches Ziel in weiter ferne liegt. Auch das angepasste Ziel, eine Zielzeit unter 4:05-Stunden rückte in weite Ferne.
Aufgeben war keine Option für mich. Es galt, auf die Zähne zu beißen und mit Würde und ohne Gehpause über die Ziellinie zu laufen. Dank Pacemaker Helmut klappte das auch prima. Nach dem Zieleinlauf war ich enttäuscht. Enttäuscht von mir und meiner Leistung.
Doch Stunde um Stunde setzte sich der Stolz durch, die Herausforderung Marathon ein zweites Mal gemeistert zu haben. Und das zählt. Die Ursachenforschung und die Optimierungsmöglichkeiten kann ich in den nächsten Wochen angehen.
Ich scheine mich in Zwei-Minuten-Schritten Richtung Sub 4 vorzuarbeiten. Also auf ein Neues in 2020, Düsseldorf! Ich habe da noch eine Rechnung offen…
Video: Mein Zieleinlauf
Der gesamte Lauf wurde via Stream auf YouTube übertragen. Ich hatte das Glück, dass mein Zieleinlauf damit für die Nachwelt festgehalten ist:
https://youtu.be/uAAWIi81XTM?t=15600
Krass sind die Gegensätze auf dem Video. Links sind die Marathonläufer im Zieleinlauf zu sehen, die am Ende ihrer Kräfte sind und sich ins Ziel schleppen. Rechts sind die Staffelläufer, die beschwingt und fröhlich fürs Foto lächeln 😉
Impressionen von der Strecke
https://youtu.be/p9iFzbl3zc4
Es sind nur Zahlen!
Eins ist mir aber auch erneut klar geworden. Ich bin 44 Jahre alt und kann und will mich mitnichten mit Läufern messen, die ganz andere Voraussetzungen haben als ich. Ich laufe nur für eine Person: für mich.
Und da ist es egal, ob eine 3 oder eine 4 bei der Stundenzahl nach dem Marathon auf der Uhr steht. Außer mich interessiert das keine Sau! Natürlich habe ich den Ehrgeiz, mich stetig zu verbessern. Im Rahmen meiner Möglichkeiten allerdings. Und da kann ich den Hebel gleich an mehreren Stellen ansetzen.
Was kann ich besser machen?
Dazu zählen unter anderem das Einbauen von Krafttraining und Athletik in meine Einheiten und das Lauf-ABC, das ich geflissentlich und konsequent unterlassen habe. Gerade vom Krafttraining erhoffe ich mir einiges – danke für die Tipps, Christian Fretz von den Hügel-Helden.
Was das Laufen angeht, werde ich mein Training auch anpassen. Mehr lange Läufe im Training, mehr lange Läufe im höheren Tempo beziehungsweise mit Intervallen und weniger “leere Einheiten” im Wohlfühltempo.
This is not what you need after 26.2 miles. pic.twitter.com/ZkmJftX0Hv
— BBC Sport (@BBCSport) April 28, 2019
Weiter, immer weiter
Bereits wenige Tage nach dem Zieleinlauf in Düsseldorf ist meine Enttäuschung einer neuen Zuversicht gewichen. Es ist mein zweiter Marathon gewesen. Und ich muss noch viel lernen. Und ich kann noch viel verbessern. Also packe ich das an!
Für mich. Nicht für andere.
9. Mai 2019 um 17:28
Hey Marc,
ich kann gut nachvollziehen wie du dich nach deinem 2. Marathon und der verpassten erhofften Sub4 gefühlt hast. Mir ging es ähnlich. Ich wollte beim 2. Marathon auch unbedingt unter 4 Std. bleiben – aber nix wars. Bei mir waren es zwar eher 29° im April und meine Dummheit (habe mich auf Runde 2 im Wald verlaufen), aber letztlich war auch ich wie du enttäuscht.
Letztes Jahr – mit der Einstellung im Kopf “Dann wird es halt nichts unter 4 Stunden” – habe ich es dann in München (wenn auch knapp) geschafft.
Ich bin ähnlich alt wie du – 45 Jahre -, und wir sind eben keine 25 oder 30 mehr. Und ich war in der Jugend kein echter Sportler, sondern habe erst mit 37 zu laufen begonnen. Auch dürfen wir bei all unserem Training, unseren Analysen, unserer ausgeklügelten Vorbereitung nicht vergessen: Marathon heißt 42,2 km, das läuft man nicht einfach so und schon gar nicht einfach so unter 4 Stunden!
Also mach weiter, genieß deine Läufe und irgendwann – wenn du es gar nicht vorhast – fallen die 4 Stunden, wirst sehen!
Sportliche Grüße aus Niederbayern
Hans
9. Mai 2019 um 19:03
Danke für Deinen Kommentar, Hans.
Da gibt es ja einige Parallelen bei uns – ich habe im Sommer 2014, da war ich 39 1/2 Jahre alt, mit dem Laufen begonnen. Und Deine Marathon-Erlebnisse geben mir Zuversicht, dass ich die Sub 4 auch schaffen kann.
In der Tat ist ein Marathon auch sehr viel Kopfsache.
11. Mai 2019 um 07:22
Hi Marc,
Auch ich habe Parallelen mit den Vorrednern und dir. 45 Jahre alt und laufe seit meinem 40sten. Ich lief meinen ersten Marathon in Hamburg 2017 mit Plan 3:08 wurde 3:04. Meinen 2. in Köln musste unter 3: es wurde 2:54 . PB liegt seit Berlin 2018 bei 2:48:00. Berlin 2019 soll Richtung 2:46/2:45 gehen.
Ich las in deiner Geschichte viel über die zwei letzten Tagen. Da kann man aber nichts mehr besser machen. Es liegt in den 16 Wochen davor! Einen guten Ansatz habe ich gelesen: Training! Es ist halt die Frage wieviel Zeit man da reinstecken soll oder will. Es muss Ausdauer auf langen Strecken hin: Ein Paar 30er mit Endbeschleunigung oder so als Beispiel.
Ich hoffe du hast für den Trainer nicht zu viel bezahlt.
Abschütteln und weitermachen. Erfahrungen von andern aufsaugen und das beste daraus für dich passend machen.
11. Mai 2019 um 09:46
Wow, das sind beeindruckende Zeiten, die du ablieferst.
Es stimmt, das Training ist das A und O. Und ich denke, dass die fehlender 35+-Läufe eine der Ursachen sind.
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